> Wie die ffentliche Hand das Bargeld abschafft

Wie die ffentliche Hand das Bargeld abschafft

Wie die ffentliche Hand das Bargeld abschafft

Hakon  von Holst
Ein Artikel von Hakon von Holst

Der ffentliche Nah- und Fernverkehr ist fr alle da. Doch immer mehr Menschen werden ausgeschlossen. Kinder fliegen aus dem Bus, weil sie nicht mit Bargeld bezahlen drfen. Wer kein Smartphone besitzt, fhrt teuer oder gar nicht. Und auf einigen Brgermtern geht nur noch Kartenzahlung. Die Bundesregierung bekennt sich zum Bargeld und frdert weitgehend unbeachtet seine Abschaffung. Von Hakon von Holst[*].

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfgbar.

Bargeld ist nicht das Geld der Reichen. Bei einkommensschwachen Menschen ist es berdurchschnittlich beliebt. Bargeld verleiht Kontrolle ber die eigenen Ausgaben, es flutscht nicht bequem davon mit einem Wisch ber das Smartphone. Bargeld ist das einzige staatliche Zahlungsmittel fr jedermann – kostenlos und nicht im Interesse der Finanzindustrie, die sich an den Gebhren fr Kartennutzung bereichert. Und nicht zuletzt bleiben Menschen dank Banknoten und Mnzen handlungsfhig bei Pfndungen und manchmal auch bei politischer Verfolgung.

Doch damit knnte es schnell vorbei sein. Die Wirtschaft geht dazu ber, Bargeld abzulehnen. Der ffentliche Nahverkehr zieht mit. In Leipzig werden neue Automaten in Bus und Bahn installiert: Barzahlung unmglich. »Wir gehen von einer vollstndigen Umsetzung im Jahr 2025 aus«, schreiben die Leipziger Verkehrsbetriebe auf Anfrage.

hnliches tnt aus Rostock: »Wir stellen derzeit gerade unsere mobilen Fahrkartenautomaten auf eine neue Generation mit bargeld- und kontaktloser Zahlungsweise um«, so die Rostocker Straenbahn AG per E-Mail. Erhalten bleiben die stationren Automaten. Die gibt es an grob 50 von 569 Haltestellen. Wer bar bezahlen will, muss das in Zukunft dort tun und sich provisorisch mit Fahrscheinen eindecken.

Im Hamburgs Bussen ist die Barzahlung seit dem 1. Januar 2024 ausgeschlossen. Ticketentwertung durch Stempeln wie in Rostock, das gibt es in der Hansestadt nicht. Letzter Ausweg fr Menschen ohne Bankkonto: eine anonyme Guthabenkarte. Die kann am Automaten mit Bargeld aufgetankt werden.

93 Prozent der Deutschen wnschen sich Wahlfreiheit, bar oder unbar zu bezahlen. Darum kommt Beistand von ganz oben: »Die Bundesregierung misst der generellen Verfgbarkeit und Nutzbarkeit von Bargeld groe Bedeutung bei und bekennt sich zum Fortbestand des Bargeldes als gesetzliches Zahlungsmittel.« Aber wo bleibt der Fels in der Brandung?

Die Einfhrung der Guthabenkarte in Hamburg anlsslich der Bargeldabschaffung im Bus wurde vom Bundesverkehrsministerium gesponsert, wie die Behrde auf Anfrage selbst besttigt. Auch im Osten dauert die Suche nach dem Gnner nicht lang. Die Umrstung auf bargeldlose Fahrscheindrucker in Leipzig wird laut einem Lokalmedium ebenfalls vom Verkehrsministerium gefrdert. Dasselbe zeigt sich in Rostock.

Nicht nur die Bundesregierung wei, dass den Deutschen das Bargeld am Herzen liegt. Darum gehen PNV-Unternehmen langsam vor. Bei Zahlung mit Smartphone-App gewhrt der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) seit Mrz 2013 drei Prozent Rabatt, seit Januar 2021 sieben Prozent. Man wolle den »Absatz von papierlosen Tickets« frdern, schreibt der HVV auf Anfrage. Die Guthabenkarte vom HVV ist zugleich ein elektronischer Fahrschein im Chipkartenformat. Gibt es also auch fr deren Nutzer sieben Prozent? Nein, stellt der HVV klar und przisiert: Man verfolge »das Ziel, Online-Bezahlverfahren zu frdern«. Bei der Guthabenkarte sei nun mal kein Bankkonto oder Paypal-Konto hinterlegt.

Kinder sollen Smartphones nutzen. Mglichst frh. In Erfurt fahren die ersten zehn Busse bargeldlos. Die Stadtwerke Erfurt empfehlen Eltern »die Nutzung der FAIRTIQ-App«. Davon profitiert der knappe elterliche Geldbeutel. Denn bei Zahlung per App gibt es auch fr die Kinder-Einzelfahrt zehn Prozent Rabatt, wie die Stadtwerke auf Anfrage mitteilen.

In Dresden wollen die Verkehrsbetriebe wenigstens kulant reagieren, wenn Kinder »sagen, dass sie keine Chance hatten, eine Fahrkarte zu kaufen«, wie man in der Dresdner Wochenzeitung 2021 las. Alle Busse und Bahnen sind inzwischen mit bargeldlosen Fahrscheindruckern unterwegs, besttigt ein Sprecher dem Autor. Aus Chemnitz kommen harte Nachrichten. Ein Zwlfjhriger wurde aus dem Bus geworfen, weil sein Bargeld nicht mehr erwnscht war. Der MDR berichtete ber einen Brief an den Vater. Das kommunale Verkehrsunternehmen CVAG empfahl ihm die »Mastercard fr Kinder zwischen 7 und 18 Jahren«. Es falle aber ein Jahrespreis von 36 Euro an, das habe man nicht erwhnt. Eine Nachfrage des Autors zu dieser Empfehlung blieb von der CVAG unbeantwortet.

Die Presseabteilung der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) spekuliert schon ber eine bundesweite Diskussion ber die Abschaffung der Ticketautomaten. Diese Frage stelle sich in Zeiten des Deutschlandtickets. In Dresden seien nun 90 Prozent der Passagiere mit Dauerfahrkarten unterwegs, so die DVB per E-Mail.

Das Deutschlandticket erhlt man weder am Automaten noch gegen Bargeld. Papierausdrucke werden seit dem Frhjahr 2024 nicht mehr anerkannt, nur personalisierte Chipkarten und Handytickets. Bei der Ticketkontrolle geben Fahrgste den digitalen Systemen ihren Aufenthaltsort preis. Das Bundesverkehrsministerium schreibt auf Anfrage, man habe sich »bei der Einfhrung des Deutschlandtickets sehr stark dafr eingesetzt, dass dieses Ticket von Anfang ausschlielich in digitaler Form angeboten wird«. Als Grund nennt die Behrde, dass sich »ohnehin knappe Ressourcen« wie Wagenmaterial und Personal »mit einer besseren Datengrundlage« effizienter einsetzen lieen.

Der Bahn-Staatskonzern macht mit und beschleunigt das Ende des Automaten-Vertriebs: Sparpreistickets gibt es seit Ende 2023 nur noch online oder – fr alle, die es umstndlich haben wollen – am Schalter.

Digitalzwang gefhrdet Bargeld als Zahlungsmittel. Denn je weniger Banknoten und Mnzen genutzt werden (knnen), desto unkonomischer wird der Unterhalt der Bargeld-Infrastruktur durch die Banken. Immer mehr Filialen und Geldautomaten verschwinden. Der Handelsverband Deutschland klagt inzwischen ber Schwierigkeiten beim Einzahlen von Bargeld und beim Besorgen von Wechselgeld.

Der Staat hat bislang nichts dagegen getan. Im Gegenteil, er hat die Entwicklung befrdert. Nicht nur finanziell, sondern auch per Gesetz: Bundesrat und Bundestag sorgten 2021 fr Rechtssicherheit und erlaubten den bargeldlosen Ticketvertrieb deutschlandweit explizit.

Auf Kommunalebene luft die Bargeldabschaffung nicht nur im Nahverkehr. Die Stadtteilbrgerbros von Dsseldorf schlieen die Barzahlung seit dem 15. Juli 2024 aus. Dresden, Emmerich und Mhlheim gehen denselben Weg. Schnell ins Freibad? Die Gemeinden Zella-Mehlis (Thringen) und Lchgau (Baden-Wrttemberg) nehmen am Badeort kein Bargeld mehr an. In der Presse mehren sich Berichte ber bargeldlose Bckereien, Bars und Restaurants.

Die Europische Union knnte dem einen Riegel vorschieben. Das EU-Parlament bert einen Verordnungsentwurf der Kommission zur Rolle des Bargelds als Zahlungsmittel. Bislang ist keine wirksame Akzeptanzverpflichtung vorgesehen. Einige Sozialdemokraten und Mitglieder der europischen Grnen- und Links-Fraktion haben einen Vorsto unternommen, flchendeckende Bargeld-Annahme zumindest in Lden und Geschften sicherzustellen.

Dass Bargeld nicht nur im Handel, sondern auch im Nah- und Fernverkehr akzeptiert bleibt, das fordert eine aktuelle Petition. Bislang hat sie 75.000 Untersttzer gefunden. Mit seiner Stimme kann jeder Brger dazu beitragen, dem Interesse der Bevlkerung am Bargeld Sichtbarkeit zu verleihen. Bis die Politik handelt, geht die Abschaffung des einzigen staatlichen Zahlungsmittels weiter: Seit dem 1. September 2024 kann in Berlins Bussen nur noch bargeldlos bezahlt werden.


[«*] Hakon von Holst, Jahrgang 1999, ist Journalist und Lektor. Er recherchiert seit 2019 zur schleichenden Verdrngung des Bargelds. 2022–23 Studium an der Freien Akademie fr Medien & Journalismus. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit zhlen neben Finanzwirtschaft auch Agrarpolitik und Umweltthemen. Verffentlichungen unter anderem in der Berliner Zeitung, im Multipolar-Magazin, in der Neuen Osnabrcker Zeitung, bei Manova und auf dem Blog von Norbert Hring. Mehr Informationen unter HakonvonHolst.de.